Amanda kommt aus Sao Paulo, Brasilien. Vor drei Jahren ist sie nach Prag gekommen, weil sie auf der Suche nach einem sicheren Platz zum leben war. In diesem Interview erzählt sie, wie schwer es für die brasilianische Kultur ist “anders” zu sein und was sie durchmachen musste, bevor sie in Prag endlich glücklich sein konnte.

Amanda, könntest du dich ein wenig vorstellen? Was machst du so? Woher kommst du?

Ich bin 23 Jahre alt und komme aus Sao Paulo in Brasilien. Vor 3 jahren bin ich nach Prag umgezogen, da ich auf der Suche nach einem sicheren Ort zum Leben war. 

Was genau meinst mit einem sichereren Ort zum Leben?

Ich war auf der Suche nach Sicherheit in vielerlei Hinsicht – als Frau ist man in Brasilien schon abgestempelt. Es gibt ein sehr katholisches Umfeld, und Frauen müssen einem Mann dienen, stecken oft zu Hause fest mit toxischer Atmosphäre. Man kann jederzeit entführt oder belästigt werden.

Ich komme aus einem sehr gewalttätigen und verrückten Umfeld und nicht gerade die reichste Familie. Ich wollte ein bequemeres Leben, also ging ich zuerst in die Slowakei und dann nach Prag, verliebte mich in die Stadt und blieb. Ich habe zuerst im Gastgewerbe gearbeitet, jetzt arbeite ich bei Johnson & Johnson. Ich bin auch ein Model bei der „New aliens agency“, die für Inklusivität /Rasse, XXL, Latinos, alle verschiedenen Menschen bekannt ist. Es ist die einzige Agentur, die den tschechischen Markt zwingt, Unterschiede zu verstehen und ein bisschen Aktivismus betreibt.

Im Moment bin ich hier sehr glücklich, und ich möchte bleiben. Ich habe einen Partner (männlich), tolle Freunde und eine Gemeinschaft um mich herum gefunden, die mich akzeptiert. Ich identifiziere mich selbst als pansexuell (pansexuelle Menschen sind Menschen, die sich zu Menschen unabhängig von deren Geschlecht hingezogen fühlen). Ich habe BWL studiert, aber als COVID aufkam, habe ich angefangen, Vollzeit zu arbeiten, um Menschen in Brasilien zu unterstützen (ich arbeite mit Wohltätigkeitsorganisationen zusammen) und habe beschlossen, mein Studium aufzugeben. In Zukunft möchte ich Design und Architektur studieren.

Was ist die Situation für Menschen der LGBTQ+ Community in Brasilien?

Sie haben viel für ihre Rechte getan, Hassverbrechen wurden dort illegal, und die Situation verbesserte sich. Leider öffnete der Präsident jetzt Türen für alle Arten von Hass – er ist homophob und stolz darauf.  Alle Arten von Wut gegen LGBTQ+ haben zugenommen (Vergewaltigungen, Morde). Die LGBTQ+-Community ist also auf dem Rückzug und macht Rückschritte.

Wie reagierten deine Familie und deine engsten Freunde auf dein Coming-Out?

Ich habe nie viel über meine Sexualität gesprochen, auch nicht mit meiner Familie (nur eine Person in der Familie weiß davon). Ich habe wirklich nicht das Bedürfnis, dies meiner Familie zu erklären; es macht keinen Sinn, sich zu outen. Jetzt bin ich mit einem männlichen Partner zusammen, aber ich hatte vorher schon Freundinnen. Meine Mutter wusste von diesen. Ich wurde gezwungen, mich in der Schule zu outen, als ich etwa 13, 14 Jahre alt war (als ich ein anderes Mädchen in der Schule küsste). Es war eine schreckliche Erfahrung; ich wurde schikaniert und als Hure abgestempelt. Das passierte an einer amerikanischen Schule, an der ich das einzige Kind mit einem Stipendium war, und ich hatte nur einen Freund an dieser Schule.

Mit welchen Reaktionen bist du im Alltag konfrontiert? Kannst du die Online-/Offlinewelt vergleichen?

Nun, brasilianische Menschen sind im Allgemeinen sehr konservativ und urteilend. Ich wurde oft angegriffen, war Hassreden ausgesetzt, wurde von Leuten in der Schule als „verwirrt“ bezeichnet. Es gab also definitiv negative Erfahrungen. 

Ich muss gestehen, dass ich am Anfang verwirrt war, da ich mich mit Männern zunächst nicht wirklich anfreunden konnte. Aber ich schätze, das lag daran, dass die meisten von ihnen in Brasilien toxisch sind. Jedenfalls nahmen mich die Leute nicht ernst – ich passte eigentlich in keine der beiden „Kategorien“ – ich war weder hetero noch schwul, nicht einmal die LGBTQ+ Community nahm mich auf. Ich war ein „einsamer Wolf“.

Hier in Prag habe ich nicht viel Hass erlebt. Es gibt eine tolle Gemeinschaft, die mich akzeptiert. Aber manchmal diskriminieren mich nur alte Leute, weil ich ein Ausländer bin. Ich bin zu meinem eigenen Schutz nicht sehr aktiv im Internet, deshalb muss ich nicht gut mit Hass umgehen.

Siehst du Veränderungen in unserer Gesellschaft in Bezug auf das Verständnis und die Akzeptanz von LGBTQ+ Menschen?

Ja, mit Sicherheit, ich denke Prag ist da auf einem sehr gutem Weg.

Gibt es eine Nachricht, die du uns mitteilen willst?

Sei dankbar und stolz darauf, wer du bist. Erlaube dir selbst, du selbst zu sein, denn dann lebst du ein besseres Leben. Dein Glück sollte deine Priorität sein – kämpfe für das, was du für richtig hältst. Es wird herausfordernd sein, aber der Kampf lohnt sich – du darfst dich mit Menschen umgeben, die dich so akzeptieren, wie du bist. Du kannst dir deine Familie nicht aussuchen, aber deine Freunde, bei denen du dich gut fühlst, schon. Du brauchst keine Akzeptanz von deiner Familie.

Credits:

Photography: Vlad Shaf @vladshaf

Production: Ngoc Anh Nguyen @imthxqueenb

Letzte Artikel von Footshop (Alle anzeigen)