Daniel kommt aus Krnov, er ist im Endspurt seines Jurastudiums in Brünn und er beschäftigt sich mit Drag. In dem Interview spricht er über die Reaktionen auf seine Identität und seine Erfahrungen mit Hassverbrechen.

Kannst du dich bitte vorstellen Dan?

Ich bin 25 Jahre alt, komme aus Krnov und bin nach meinem Abi nach Brünn gezogen, wo ich an der juristischen Fakultät der Masaryk-Universität studiere. Ich beende gerade mein 5. Studienjahr, schreibe meine Diplomarbeit und plane, im Herbst nach Prag zu ziehen. Ich arbeite nachts in einem Hotel an der Rezeption, aber wenn ich mein Studium beendet habe, möchte ich mit Jura arbeiten. Ich verbringe meine Freizeit mit meinem gleichgeschlechtlichen Freund und gehe dem Drag nach. Das ist ein Hobby von mir, das einerseits teuer ist, weil es nicht nur viel Geld kostet, sondern auch Zeit und Energie. Andererseits möchte ich es nicht aufgeben.

Wie würdest du Drag definieren? Wie nimmst du es wahr, was gibt es dir? Wie bist du dazu gekommen?

Ich habe schon immer gezeichnet, gesungen und war ein kreativer Mensch (außer beim Tanzen :-D). Als ich vor 2 Jahren dank Make-up zu meiner ersten Show in Prag kam, stellte ich fest, dass Drag viele Dinge verbindet, die mir schon immer am Herzen lagen. Es ist ein kreatives Ventil für mich. Was die Frage angeht, wie ich dazu gekommen bin – es war das bereits erwähnte Make-up. Ich mache jetzt seit 3 Jahren Make-up, und das war die Initialzündung, mit Drag zu beginnen. Ansonsten bin ich auch durch die Show „RuPauls Drag Race“ auf Drag aufmerksam geworden, die so etwas wie America’s Next Top Model ist, nur mit dem Unterschied, dass es hier um Drag Queens geht. Ich wusste, dass es in der Tschechischen Republik mehr Drag-Shows gibt, aber das hatte nicht das gewisse etwas. Travestien werden zum Spaß und zum Lachen organisiert – ein Mann, der eine Perücke trägt, sich als Künstlerin verkleidet und ihre Lieder vorträgt. Im Gegensatz zu einem Travesti hat eine Dragqueen ihre Drag-Persona, die durch verschiedene Menschen und Dinge inspiriert wird und verschiedene Lieder performt. Aber es gibt auch Drag Queens, die ihre eigenen Stand-ups haben oder z. B. Burlesque machen. Ich möchte einfach eine schöne Frau sein. Es macht mir Freude und ich genieße es.

Wo können dich Leute treffen?

Vystupoval jsem hlavně před pandemií, kdy poslední vystoupení jsem měl v říjnu. Nejčastěji vystupuji v pražském klubu Friends, kde jsem měl nedávno první vystoupení po pandemii, to bylo super. Dále mám shows na parníku, plánuju drag brunche a v plánu mám vystupovat na Prague Pride. Hodně se v tomto inspiruji popovou zpěvačkou Arianou Grande nebo mými oblíbenými drag queens jako jsou Naomi Smalls, Alaska nebo Trixie Mattel.

Wie hat dein Umfeld auf deine sexuelle Orientierung und dein Dasein als Dragqueen reagiert?

Ich habe immer die volle Unterstützung meiner Familie gehabt, wenn es um meine sexuelle Orientierung ging. Ich hatte keine schockierendes Coming out. Meine Familie nahm es mit Fassung auf. In meinem zweiten Grundschuljahr wurde mir klar, dass ich schwul bin, aber ich versuchte trotzdem, mit Mädchen auszugehen, was mir ziemlich schwer fiel. Aber meine Eltern haben mich unterstützt.

Mit Drag war es so, dass ich es zu Beginn verheimlichen wollte. Deshalb hatte ich auch einen separaten Instagram Account. Meine Eltern hofften nämlich, dass ich Drag nicht machen werden. Vor allem ging es ihnen darum, dass ich nicht mit der Schule schmeiße. “Wenn du mit Drag beginnst, will ich es nicht wissen” war die Meinung meines Vaters. Bis jetzt reden wir nicht darüber und gehen diesem Thema komplett aus dem Weg. auch wenn allen klar ist, dass Drag ein Teil meines Lebens ist. Meine Mama redet manchmal mit mir darüber und ich habe auch schon Make-Up von ihr bekommen. Live hat sich jedoch noch nicht gesehen. Als ich mein Profilbild auf Facebook auf Foto mit Make-Up wechselte, baten mich meine Eltern dies zu ändern, da es auch Bekannte sehen.

Siehst du Veränderungen in Reaktionen, ist die Gesellschaft offener? Was würde der Gesellschaft helfen?

Bei der jüngeren Generation ist es dank Projekten wie diesen und anderen Kampagnen mit jedem Jahr besser. Ich denke, dass dies sehr hilfreich ist und es somit immer besser wird. Im Allgemeinen ist es wichtig druck auf Veränderungen auszuüben, Menschen zuzuhören und vor allem Verständnis aufbringen.

Welchen Reaktionen begegnest du am häufigsten?

Ich bin sehr offen und verstecke nicht, dass ich homosexuell bin. Ich habe das Gefühl, dass es in den letzten Jahr zu einer deutlichen Verbesserung gekommen ist, es kann aber auch sein, dass ich dies so sehe, weil ich in einer Großstadt lebe und sehr selten meine Social Bubble verlasse. Ich habe mir meine Freund sehr sorgsam ausgesucht. Und wenn ich dann doch hin und wieder meinen Freundeskreis verlasse bin ich schockiert. Zuhause in Krnov wissen alle, dass ich Gay bin und wenn sie mich dann treffen, tun sie entweder so als würden sie mich nicht kennen oder Fragen unendlich viele Fragen. Wenn ich so darüber nachdenke, habe ich in der Offline-Welt nur selten negative Erfahrungen. Hin und wieder rufen mir Leute auf der Straße nach, jedoch ignorier ich dies.

Wenn sie jedoch meinen Partner angreifen, reagiere ich. Manchmal passiert es, dass wir vor einer Drag-Show, wenn wir schon in unseren Kostümen sind, von Leuten in vorbeifahrenden Taxis angepöbelt werden. Dies passiert fast jedesmal, weshalb ich schon damit rechne und somit bringt es mich auch nicht weiter außer Fassung. Es ist interessant, dass ich mehr negative Reaktionen auf meine sexuelle Orientierung, als auf meine Drag Queen Persona bekomme.  Vielleicht kommt es daher, dass sich Leute beim anblick einer Frau nicht trauen zu pöbeln. Keine Ahnung. 

Was die Online-Welt betrifft gibt es viel mehr Reaktionen, da draußen nur wenige den Mut dazu haben. Auf meinen Twitter-Account, als erste tschechische Drag-Queen, gibt es ununterbrochen Haß-Reaktionen. Auch auf Tik Tok ist es nicht besser. Dort gab es Kommentare, die mich zum Suizid aufforderten, mich in die Hölle schickten, mir drohten meinen Kopf am Bordstein zu zerschmettern oder dass ich einfach nur geisteskrank bin. Ein paar Leute haben mir auch mit Mord gedroht. Ich blocke diese Menschen. Wenn ich anständiges negatives Feedback bekomme, bin ich offen für Diskussionen. Wenn es auch da nicht weitergeht, lass ich es einfach. Es bringt eh nichts. Wichtig ist, dass die positiven Kommentare überlegen sind. Im Allgemeinen habe ich im Laufe der Zeit gelernt eine dicke zu haben und dennoch gibt es Tage, an welchem mich der Hass runterzieht. Die Unterstützung meiner Familie und Freunde ist an solchen Tagen Gold wert. Und auch die Kenntnis, dass ich nichts schlechtes tue und niemanden verletze, hilft sehr viel.

Wurdest du schon mal körperlich oder verbal angegriffen?

Ein paar leider schon. Einmal in Brünn bin ich in einem Hotel auf aggressive Gäste gestoßen. Sie nannten mich eine Schwuchtel, also habe ich die Polizei gerufen. Eine junge Polizistin half mir, begleitete sie aus dem Hotel und fragte mich, ob ich die Sache weiter verfolgen wolle. Am Ende habe ich es nicht getan. Ich wollte nur, dass sie verschwinden.

Und dann habe ich eine unangenehme Erfahrung aus Krnov, vom letzten August. Dort war ich das Opfer einer homophoben Reaktion. Es war das Wochenende, an dem die Pride Week begann. Ich war mit einem Freund aus dem Vereinigten Königreich in einer Bar, und im Laufe des Abends standen wir an der Jukebox. Plötzlich stieß mich ein Mann von hinten an und beschuldigte mich, ihn eine Schwuchtel genannt zu haben. Das ist lächerlich, denn ich würde das nie sagen, ich habe keinen Grund dazu. Die Situation eskalierte so sehr, dass wir uns in vor die Bar begaben, wo glücklicherweise etwa 15 Leute hinter mir standen und mich verteidigten. Die Angreifer bedrohten mich und griffen mich sogar ein paar Mal körperlich an. Er hat mich geschubst, und er hatte auch Freunde dort, also standen sich zwei Gruppen gegenüber und schrien sich gegenseitig an. Mein Freund rief die Polizei, weil wir Angst hatten und uns bedroht fühlten. 15 Minuten später kam ein Auto mit 2 Polizisten, die mit der Situation nicht fertig wurden. Sie lachten uns aus und sagten, was ich mir dabei denke und warum wir uns nicht zu Hause hinsetzen. Die Angreifer waren inzwischen geflüchtet. Ich habe das Ganze in meinen Netzwerken gepostet, dann für die Zeitschrift Lui und sogar im Club darüber gesprochen. Ich habe das Vertrauen in die Polizei verloren. Dann wurde ich in derselben Bar von einem Bekannten ohne jeden Grund in den Rücken geschlagen.

Was wäre deine Botschaft in Bezug auf Akzeptanz und Gleichberechtigung für LGBT+ Menschen?

Jeder Mensch wünscht sich nichts sehnlicher, als respektiert und geliebt zu werden und die gleiche Chance auf Liebe zu haben wie alle anderen. Um dem Hass nicht begegnen zu müssen. Wir wollen niemandem Schaden zufügen, also wären wir froh, wenn andere uns keinen Schaden zufügen würden. Kurz gesagt: Behandeln wir andere so, wie wir wollen, dass sie uns behandeln.

Credits:

Photography: Vlad Shaf @vladshaf

Production: Ngoc Anh Nguyen @imthxqueenb

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